"Aufenthaltsraum möglich" trotz fehlendem zweitem Rettungsweg

Benutzer_3429

Hier die Rahmenbedingungen:

- Bestandsgebäude, freistehend

- Fussbodenoberkante DG über sieben Meter

- DG als Kaltdach geplant, ohne Nutzung, in seinen Ausmaßen für Aufenthaltsraum ausreichend (da die LBO Sachsen-Anhalt hier ohnehin keinerlei Grenze nach unten mehr festlegt)

- Dachboden verfügt über keine ausreichende Belichtung und Belüftung und keinen zweiten Rettungsweg, da nur in 2,50 Meter Höhe gelegegene einfache Dachluken.

Zwei Fragen:

1. Ist in diesem DG ein Aufenthaltsraum möglich?

2. In der letzten gedruckten Ausgabe der kommentierten Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt behandelt der Autor diese Frage in der Einführung. Seite 1-2.

Siehe Link: goo.gl/ahyafz

Demnach gibt es die Option, den Dachraum mit einer Baulast zu belegen, die die Möglichkeit von Aufenthaltsräumen klar ausschliesst.

Ist diese Option andernorts bekannt und wird sie genutzt?

Welche Möglichkeiten gibt es sonst – außer das Dach zurück zu bauen und ein Flachdach aufzusetzen, was aus Gründen des Denkmalschutzes wohl ausscheidet – dass das DG nicht als möglicher Aufenthaltsraum anzusehen ist?

Benutzer_465

Hallo,

m.E. ist im DG ein Aufenthaltsraum möglich, daraus ergibt sich die Gkl.

Einen 2. Rettungsweg benötigen Sie aber erst, wenn Sie dort wirklich einen Aufenthaltsraum machen.

M. Koeppen

Benutzer_3429

Und wie sieht es mit der Baulast aus?

Benutzer_465

Nein, eine solche Ausschluss-Baulast gibt es nicht

Benutzer_3429

Auf welche gesetzliche Regelung beziehen Sie sich genau, wenn Sie davon sprechen, dass man erst dann einen zweiten Rettungsweg braucht, wenn man aus dem DG einen Aufenthaltsraum macht? Wären Sie so freundlich, mir die Quelle anzugeben?

Hannes

Nehmen Sie doch einfach Ihre Landesbauordnung als gesetzliche Regelung...

Bei mir in BW z. B. ist die konkrete Forderung in §15(3)LBO aufgeführt.

Gruß

Hannes

Benutzer_3429

Entschuldigung, es ist natürlich möglich, dass ich etwas übersehen habe – aber da steht nichts davon, wann ein Aufenthaltsraum möglich ist. Es definiert nur, dass ein AHR zwei Rettungswege haben muss. Ergo: Keine zwei Rettungswege = kein Aufenthaltsraum möglich. Oder er wäre gesetzeswidrig.

clammer

Guten Tag,

anscheinend fehlen hier Grundkenntnisse im Baurecht und dessen Anwendung.

Für die Einstufung in eine Gebäudeklasse ist die theoretische Möglichkeit eines Aufenthaltsraumes maßgebend. Es geht hier also um eine formale Forderung.

Für die Ausführung (materielle Anforderungen) dagegen das, was faktisch gebaut werden soll.

Bei den Baulasten (heute übrigens §82 BauO LSA) geht es darum, das Bauherren "öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zu einem ihre Grundstücke betreffenden Tun, Dulden oder Unterlassen übernehmen, die sich nicht schon aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergeben." In Ihrer Frage geht es aber um solche öffentlich-rechtlichen Vorschriften.

Gruß

C. Lammer

Benutzer_3429

Sehr geehrter Herr Lammer, das habe ich verstanden und glaube es Ihnen auch. Ich möchte nur wissen, auf welche Richtlinie genau man sich bezieht, wenn man für die Möglichkeit eines Aufenthaltsraumes nur die Ausmaße heranzieht – zumal es der LBO Sachsen-Anhalt gar keine Höhenbegrenzung für einen Aufenthaltsraum im Dachgeschoss mehr gibt.

§ 46

Aufenthaltsräume

(1) Aufenthaltsräume müssen eine lichte Raumhöhe von mindestens 2,40 m haben. Dies gilt nicht für Aufenthaltsräume in Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2 sowie für Aufenthaltsräume im Dachraum.

Damit könnte, je nach Handhabung, auch ein Raum mit 1,80 Meter Höhe im DG als Aufenthaltsraum gewertet werden.

Und wenn §46 (1) gilt – wieso gilt (2) augenscheinlich im selben Atemzug nicht?

§46 (2) Aufenthaltsräume müssen ausreichend belüftet und mit Tageslicht belichtet werden können. Sie müssen Fenster mit einem Rohbaumaß der Fensteröffnungen von mindestens einem Achtel der Netto-Grundfläche des Raumes einschließlich der Netto-Grundfläche verglaster Vorbauten und Loggien haben.

Wie gesagt: Ich suche lediglich nach der Richtlinie bzw. dem Gesetzestext, der genau das besagt.

Omega

Hallo,

ich weiß nicht ob ich alles richtig verstanden habe, aber ich versuche es mal, auch wenn ich oben geschriebenes nochmals wiederhole.

In ihrem Gebäude ist im Dachraum aufgrund der dortigen Fläche und der vorhandenen Höhe (gibt ja keine explizite Mindesthöhe in SA) ein Aufenthaltsraum (AR) möglich.

Der Dachraum wird dann zu einem Geschoss. Die OKFF des Dachgeschosses ist nun zur Einstufung der GKL heranzuziehen, also GKL 4.

Die Möglichkeit für einen AR im Dachraum setzt jedoch keinen 2. Rettungsweg voraus. Ihr Dachraum ist lediglich benutzbar.

Erst wenn sie den möglichen AR (Definition in § 2 LBO-SA) als solchen nutzen wollen (z. B. Dachgeschoss-Ausbau) braucht‘s den 2. RW und die Fenster für Tageslicht und zum Lüften.

Wenn sie jedoch beabsichtigen, das Gebäude in GKL 3 einzustufen, darf im Dachraum kein AR möglich sein. Um das zu begründen kann man z. B. die Regelungen aus anderen LBO’s heranziehen. Dort sind u. a. Mindesthöhen von 2,20 m genannt. Da dies eigentlich kein wirkliches Brandschutzthema ist, würde ich das Baurechtsamt mit ins Boot nehmen.

Hinweise könnten sich auch aus der DIN 277 bzw. DIN 283 Teil 1 ergeben. Letztere ist zurückgezogen, gilt aber mangels Neuregelung wohl als a. a. R. d. T.

Auf was zielt ihre Fragestellung ab? Möchten sie in die GKL 3? Oder ist es der 2. Rettungsweg und die Fensterflächen die fehlen? Beides brauchen sie erst, wenn sie das Dachgeschoss als Aufenthaltsraum nutzen, die Möglichkeit reicht nicht aus.

Benutzer_3429

Danke für die ausführliche Antwort, Omega. An sich sollte die LBO Sachsen-Anhalt ja in sich stimmig sein – so dass man nicht nach anderen Bundesländern schielen muss, um die Gebäudeklasse zu bestimmen.

Hintergrund meiner Frage: Wir haben eine Bauherrschaft, die die Einstufung ihres Gebäudes in GKL 4 nicht nachvollziehen kann, weil wir als Architekten schlicht die gesetzliche Grundlage dafür nicht nennen können. Unser Brandschutzplaner kann es auch nicht, er sagt nur, das werde eben so gehandhabt. Wir können es langsam auch nicht mehr nachvollziehen.

Nur die Raumausmaße können es nicht sein, weil die ja in S-A für Dachräume nicht definiert sind.

Omega

Als KO-Kriterium würde ich spontan mind. 2,00 m über 50 % der Fläche sehen, auch in SA. Niedriger kann nach meiner Meinung nicht im Sinne des Gesetgebers sein. Dort sollen sich ja Menschen aufhalten und das nicht nur vorübergehend.

clammer

Guten Tag,

´Omega´ hat ja schon ausführlich geantwortet.

Sie schreiben in Ihrer Frage zum DG:

"in seinen Ausmaßen für Aufenthaltsraum ausreichend"

Damit ist ein Aufenthaltsraum möglich; Sie haben sich Ihre Antwort schon selbst gegeben ;-))

Gruß

C. Lammer

Benutzer_3429

Moment. Das "ausreichend" war eine "mal eben so" Einschätzung meinerseits.

Wie schon erwähnt, die LBO Sachsen-Anhalt gibt keine Mindestraummaße für AHR in Dachgeschossen vor.

Die ALLEINIGE Festlegung aufgrund von nicht gesetzlich geregelten Raummaßen wird ja willkürlich: Ein Bauamt findet, 1,80 Meter seien genug um von einem "möglichen Aufenthaltsraum" zu sprechen; ein anderes sagt 2,20 müssten schon sein. Ein drittes könnte sich in dem Falle auf´s Gesetz berufen und sagen, es gibt keine Mindestmaße – und dann reichen auch schon 1,70 Meter als "möglicher Aufenthaltsraum".

Mit anderen Worten: Es muss zusätzlich zum reinen Vorhandensein eines wie auch immer bemessenen Raumes zwischen Dach und oberstem Geschoss noch wirklich festgelegte Kriterien geben (zB das konkret definierte Maß an Belichtung) – gerade weil keine Mindestraummaße gesetzlich festgelegt sind. Denn sonst könnte jeder auch noch so kleine Raum zwischen oberstem Geschoss und Bedachung "mal eben so" als Aufenthaltsraum gelten.

Daher nochmals meine Frage, die sich im Laufe der Diskussion herauskristallisiert hat: Wenn die Raummaße nicht definiert sind, welche Verordnung / Gesetz regelt, dass nicht einfach jeder beliebige Dachraum ein möglicher Aufenthaltsraum ist?

Benutzer_465

Willkür?

Pflichtgemäßes Ermessen.

Hannes

Das kann nur § 2 (5) BauO LSA sein.

(5) Aufenthaltsräume sind Räume, die nicht nur zum vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind.

Allerdings hat diese Aussage natürlich sehr wenig konkreten Inhalt, bzw. lässt allerhand Spielraum.

Wenn es dazu keine entsprechenden Hinweise oder Handlungsgrundlagen in Sachsen-Anhalt gibt, würde ich mich an Ihrer Stelle, direkt an die Oberste Baurechtsbehörde wenden...oder besser zuerst an das zuständige Bauamt.

Vielleicht wissen die was.

Gruß

Hannes

Omega

Ich kenne das Gebäude nun nicht, ich gehe mal von einem Wohngebäude aus. Es soll angeblich Spitzbodenausbauten geben, die mittig 1,8 m haben und das auf einer Breite von 20 - 30 cm. Die werden dann als "Spielzimmer" genutzt, das ist sicher grenzwertig.

Ich würde die DIN 277 i. V. m. der VVO (hier schon zitierte "Vernunfts-Verordnung") zur Beurteilung heranziehen. Die DIN sieht bei Dachgeschossen u. a. eine Mindesthöhe > 2 m vor (geht zu 100 % in die Wohnflächenberechnung ein). Sind solche Höhen in keinen Raumbereichen zu erreichen ist nach meinem Verständnis kein AR möglich.

Welche Höhen haben sie denn im Dachraum?

Benutzer_3429

Hier mal ein Zitat aus der Verwaltungsvorschrift zur Durchführung der sächsischen Bauordnung:

2.3.4 In einem Geschoss sind Aufenthaltsräume möglich, wenn es für Aufenthaltsräume bestimmt ist oder wenn es, ohne hierfür bestimmt zu sein, in seiner gegebenen Gestalt zur Einrichtung von Aufenthaltsräumen, gegebenenfalls auch durch Ausbaumaßnahmen, geeignet ist. Die Eignung bestimmt sich nach objektiven Kriterien. Als solche kommen die erforderliche notwendige Treppe, die erforderliche lichte Raumhöhe und die erforderliche Belichtung in Betracht.

Das regelt klar: Mögliche Aufenthaltsräume hängen von objektiven Kritierien wie Treppe, Raumhöhe und Belichtung ab.

Ich suche schlicht nach der Verwaltungsvorschrift für LSA, die genau diesen Punkt regelt.

Benutzer_3429

@ Hannes: Mit dem Bauamt haben wir es schon versucht, die lassen sich nicht in die Karten gucken. "Haben wir schon immer so gemacht."

clammer

@heidibarbara

Ich glaube, dass wir mit den Mitteln dieses Forums hier nicht mehr weiter kommen. Ohne Grundrisse, Ansichten etc. ist eine seriöse Ferndiagnose nicht möglich.

Zu Bedenken ist auch, dass die Fragestellung auch planungsrechtliche Punkte ("Baunutzungsverordnung" etc.) berührt.

Auch ein Bauamt ist an das Recht gebunden, "Haben wir schon immer so gemacht." begründet keinen Verwaltungsakt.

Im Zweifelsfall können Sie auch per Bauantrag Ihre Auffassung einreichen; dann muss das Bauamt konkret werden.

Gruß

C. Lammer

P. S. Die ARGEBAAU führt zu §47 Absatz 1 MBO aus:

"Satz 2 nimmt von dieser Anforderung zunächst Aufenthaltsräume in Gebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2 aus, da die Bildung von Standards insoweit dem Markt überlassen bleiben kann. Auch für Aufenthaltsräume im Dachgeschoss werden keine Mindesthöhen mehr vorgesehen, da insoweit keine besondere Schutzbedürftigkeit besteht; eine differenzierte Regelung für den Dachgeschossausbau in bestehenden Gebäuden erscheint nicht gerechtfertigt. Daher besteht auch kein Bedarf für eine § 46 Abs. 4 a. F. entsprechende Regelung mehr."

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